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Lieselei: Mehr Gemeinwohl (2/2)

Im zweiten Teil der Lieselei zum Thema „Mehr Gemeinwohl“ nimmt Christoph Gukelberger die unterschiedlichen Lebensabschnitte in den Blick. Wann und wie lässt sich mehr soziales Handeln in das eigene Leben integrierenUnd wo kann man den Dienst am Gemeinwohl vielleicht sogar institutionalisieren?  

05/2021 – Mehr Gemeinwohl (2/2): Im Lebens(ver)lauf 

Während ich in meiner letzten Lieselei „Früh übt sich“ über konkrete Ideen für mehr Gemeinwohlorientierung schon bei Kindern und Jugendlichen gesprochen habe, möchte ich mit dieser Lieselei den Blick auf die ganze Lebensspanne werfen. In welchen Phasen bietet es sich vielleicht besonders an, verstärkt für die Gemeinschaft tätig zu werden? Da fällt mir einiges ein, was ich sofort umsetzen würde…

Soziales Handeln fürs Leben

Als eine der ersten Dinge würde ich ein soziales Jahr nach dem Schulabschluss einführen. Angelehnt an den früheren Zivildienst, soll dieser Dienst am Gemeinwohl für Mädchen und Jungen gleichermaßen gelten. Dieses Jahr ist keine neue Forderung, aber ich würde das Jahr verpflichtend für alle machen. In diesem Zeitraum lernen junge Erwachsene fürs Leben und bereichern das Gemeinwohl mit Ihrer Arbeit ungemein. Die Erfahrungen, die im Rahmen der Pflege, der Fürsorge, der Behindertenhilfe oder anderen sozialen Bereichen sowie in Vereinen gemacht werden, sind Gold wert. Wie fühlt es sich an, für Andere einzustehen? Wie sieht Wertschätzung aus und wie fühlt es sich an, wenn ich echte Dankbarkeit erfahre? Welche Schwierigkeiten gibt es im Sozialen Bereich? Wie sind die Arbeitsbedingungen und wie komplex die Bedürfnisse von Pflegebedürftigen? Das kann man nirgendwo besser erfahren, als in der Praxis, in dem man sich den Dingen aussetzt. Lernen im Tun ist wertvolles Lernen, weil es fürs Leben bleibt. Und in keiner späteren Station im Leben eines Menschen werden diese Erfahrungen in der gleichen Intensität erlebt wie in diesem Lebensabschnitt.

In der Mitte der Gesellschaft

In der „Mitte“ des Lebens, nachdem die Ausbildung abgeschlossen ist, stehen für viele Menschen Arbeit und Familie im Fokus und man würde meinen, es bliebe wenig Zeit für Engagement außerhalb des Privaten. Das Freiwilligen Survey des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zeichnet aber erfreulicherweise ein anderes Bild. Der höchste Anteil der freiwillig Engagierten liegt mit 44,7% im Jahr 2019 bei den 30- bis 49-jährigen. Und insgesamt ist der Anteil an Freiwilligen in den letzten 20 Jahren gestiegen. Das unterstreicht die Bedeutung des Ehrenamts als wichtige Säule der Gesellschaft. Auch hier gibt es bereits Modelle von Arbeitgeber:innen, die beispielsweise das Ehrenamt von Mitarbeiter:innen fördern, in dem diese extra Urlaubstage erhalten. Zumindest ein Ansatz, den man zusätzlich ebenfalls in Betracht ziehen kann.

Der Kreis schließt sich

Von Richard David Precht stammt ein Gedanke, den ich sehr spannend finde: Beim Start in die Rentenzeit muss jede Person ein soziales Jahr leisten, also sich etwa für zehn bis 15 Stunden in der Woche für ein Jahr ehrenamtlich engagieren. In Deutschland wird es in den nächsten Jahren immer mehr Rentner:innen geben – ein soziales Jahr bei Renteneintritt wäre eine riesige Chance für das Ehrenamt und würde dabei helfen, die Gesellschaft sozialer zu machen und das Miteinander zu stärken. Viele Rentner:innen sind bereits jetzt ehrenamtlich aktiv, und das weit über ein Jahr hinaus. Aber wenn es verpflichtend für alle wäre – natürlich muss es Ausnahmen geben – könnte das eine ungemeine Stärkung für das Gemeinwohl bedeuten. Mit Hilfe von Digitalisierung kann die Angebotsseite des Ehrenamts sehr viel besser organisiert und koordiniert werden. Klare Beratung und klare Anlaufstellen helfen dabei, dass jeder etwas findet und nicht allein gelassen wird. Damit schließt sich ein Kreis: Vor dem Berufsleben und nach Ende der Berufstätigkeit wird sich besonders für die Gemeinschaft engagiert. Wie viel Potential da drin steckt! Und das aus meiner Sicht definitiv für beide Seiten.

Mitgefühl, Fürsorge, Zivilcourage, Ehrenamt – all diese Dinge sind der soziale Klebstoff, der eine Gesellschaft zusammenhält. Ohne sie würde der Egoismus regieren.

Keine schöne Vorstellung.

Bleiben Sie im Dialog!
Herzlichst
Ihr Christoph Gukelberger

Zur vorherigen Lieselei: 04/2021 – Mehr Gemeinwohl (1/2): Früh übt sich?

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