Teilhabe an Kultur und Austausch: Das kommt für ältere Menschen oft zu kurz. Das gemeinnützige Projekt „Die Gute Stunde“ bringt digitale, interaktive Kulturveranstaltungen in Pflegeeinrichtungen und in die Häuslichkeit. Ob gemeinsame Musikerlebnisse, eine digitale Museumsführung oder eine Lesung: Kultur bedeutet Lebensfreude. Für ihr Engagement für digitales Miteinander wurde die Initiative vom Hessischen Digitalministerium ausgezeichnet. Wir haben mit den zwei Mitorganisatorinnen der Guten Stunde, Charlotta Bjelfvenstam und Torsten Anstädt gesprochen.
BL: Was ist die Gute Stunde und wie läuft eine Gute Stunde digital ab?
Charlotta Bjelfvenstam: Die Gute Stunde sind einstündige digitale Kulturveranstaltungen, die wir seit 2021 kostenfrei für ältere Menschen über Zoom anbieten. Mehrmals im Monat hebt sich der digitale Vorhang für ein neues, interaktives Kulturereignis. Das kann ein Wunschkonzert, ein gemeinsames Filmschauen oder ein Kunstworkshop sein.
Torsten Anstädt: Das Publikum und die auftretenden Künstler:innen schätzen das dialogische und persönliche an unserem Format – dass Kultur nicht einfach konsumiert wird, dass stattdessen ein Gespräch entsteht und es möglich ist, neue Menschen, Themen und Perspektiven kennenzulernen. Wir wollen echten Austausch zwischen Senior:innen und Kulturschaffenden ermöglichen!
BL: Wie kam es zu der Idee, digitale Kulturveranstaltungen für ältere Menschen anzubieten?
Torsten Anstädt: Während der Pandemie waren viele ältere Menschen komplett isoliert. Gleichzeitig konnten sehr viele Kulturschaffende ihrem Beruf nicht nachgehen. Da lag es für uns nahe, diese beiden Gruppen zusammen zu bringen.
Charlotta Bjelfvenstam: Inzwischen sind die Kulturinstitutionen wieder offen, aber viele ältere Menschen sind nach wie vor einsam oder bewegungseingeschränkt und können nicht am öffentlichen, kulturellen Leben teilnehmen. Ich glaube, gemeinsames Kulturerleben ist wichtig für Gesundheit und Glück.
BL: Warum ist digitale Teilhabe für ältere Menschen wichtig? Was gibt es ggf. für technische Hürden und Barrieren bei der Guten Stunde?
Charlotta Bjelfvenstam: Spätestens seit der Pandemie ist uns bewusst geworden, wie abhängig wir inzwischen von digitaler Technik sind. Für viele Menschen war es der einzige Weg mit anderen in Kontakt zu bleiben. Kinder kommen heute praktisch mit digitalen Kompetenzen auf die Welt, aber ältere Menschen haben hier häufig ein Nachholbedürfnis.
Torsten Anstädt: Daher arbeiten wir auch mit Digital:lotsinnen zusammen, die bei technischen Hürden unsere Zuschauer:innen unterstützen. Dort, wo es noch keinen Internet Anschluss gibt, vermitteln wir z. B. internetfähige Leih-Tablets. Wir versuchen das Projekt so inklusiv wie möglich zu gestalten und digitale Barrieren abzubauen.
BL: Wie finanziert sich das Projekt?
Torsten Anstädt Im Augenblick finanzieren wir uns hauptsächlich durch Spenden und kleine Förderungen. Das Organisationsteam arbeitet größtenteils ehrenamtlich, aber die Kulturschaffenden werden immer bezahlt – sie leben schließlich von ihrem Beruf. Zukünftig bieten wir stationären und ambulanten Trägern ein Kultur-Abo für Ihre Kund:innen. Denn wir möchten weiterhin ermöglichen, dass jede Einzelperson an den Veranstaltungen kostenfrei teilnehmen kann.
BL: Was wünscht ihr euch für das Projekt?
Charlotta Bjelfvenstam Ich wünsche mir, dass unser Projekt noch mehr Gehör findet und Modellcharakter bekommt: Jedes Theater hat seine Jugendsparte, warum nicht auch eine Seniorensparte? Unsere Gesellschaft wird immer älter, da müssen innovative, integrative Lösungen her. Ich hoffe, dass wir mit unserer „Guten Stunde“ einen Beitrag für mehr Lebensqualität für alle leisten können. Für die Planungssicherheit wäre eine kontinuierliche Förderung bzw. ausreichende Abonnenten essenziell.
BL: Wie kann man teilnehmen? Und wo gibt es weitere Informationen?
Torsten Anstädt Man findet alle Termine und Informationen auf unserer Website www.diegutestunde.org. Dort gibt es auch ein Anmeldeformular. Alternativ geht es auch per Mail an gutestunde@humaq.org. Nach der Anmeldung verschicken wir den Zoom-Link an unsere Zuschauer:innen, die sich darüber zuschalten können. Vor dem Beginn der Veranstaltung öffnen wir das „Digitale Foyer“ und gehen auf Technik-Fragen ein, so dass alle wirklich einfach teilnehmen können.
Das Interview ist im Produktkatalog der BringLiesel zu finden, den Sie übrigens hier kostenlos bestellen können.