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Lieselei – Ohne Netz nix los!

Ist eine Welt ohne Internet möglich? Oder besser gefragt: Wollen wir das überhaupt? Ein Lernen und Arbeiten in Pandemiezeiten wären unvorstellbar. Kontakt zu Freunden oder Familie zu halten unmöglich. Das Virus, das global um sich greift, zeigt uns die Möglichkeiten und auch Grenzen des Digitalen. Diese Zeit als Chance zu begreifen für künftige Programmierer von digitalen Lösungen ist wichtig, bedeutet aber, dass dafür auch Voraussetzungen geschaffen werden müssen. Wie die aussehen könnten, das schildert Christoph Gukelberger in der neuesten Ausgabe der Lieselei.

02/2021 – Ohne Netz nix los!

Ben ist sieben Jahre alt, bald wird er acht. Er kann immer noch nicht lesen, obwohl er vor drei Monaten eingeschult wurde. Doch drei Monate nach seiner Einschulung wurde ein bundesweiter Lockdown verhangen. Ein Virus hatte sich global ausgebreitet, der die Menschen dazu zwingt, auf Distanz zu gehen. Unterricht ist seither kein Thema mehr für Ben, es gibt keine Alternative außer Präsenzunterricht. Bildungsstillstand. Stillstand auch bei Bens Eltern. Sie sind tagtäglich bemüht, sich über den aktuellen Stand der Pandemie zu informieren. Das Radio ist das einzig schnelle Medium dieser Tage, wenn es um Nachrichten geht. Mehr geht nicht. Einkaufen funktioniert noch, aber nur für Lebensmittel sowie Produkte des täglichen Bedarfs. Kleidung oder neue Schuhe? Fehlanzeige, die Läden sind zu. Auch da gibt es keine Alternativen. Doch Ben braucht dringend neue Schuhe. Zum Glück hilft die Nachbarin – mit den aussortierten Schuhen ihrer großen Tochter.

Ein bisschen dystopisch das Szenario, das gebe ich zu. Dabei ist es nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was nicht mehr funktionieren würde, wenn wir das Internet nicht hätten. Was würde alles stillstehen? Sehr sehr viel. Und wenn es kein Stillstand wäre, dann würde zumindest alles langsamer werden und uns im Tempo in die Zeit der 1980er Jahre zurückwerfen.

Verstehen, lernen, arbeiten mit dem Netz

Das Netz schenkt uns viele Freiheiten und Möglichkeiten, auch in Pandemiezeiten. Selbst wenn manchen das Digitale immer noch fremd ist, leben und bewegen wir uns ganz natürlich in der digitalisierten Welt. Die Bedeutung und Notwendigkeit eines gut funktionierenden Netzes und digitaler Lösungen wurde durch Corona nochmal deutlich – auch wenn wir das natürlich schon lange wissen.
Bildung, Arbeit, Kommunikation mit Freunden und Familie bleiben nicht stehen, weil wir das Netz haben. Wir können uns informieren und dadurch auch Phänomene wie eine Pandemie verstehen.
Ich beobachte dieser Tage mit Faszination wie das Leben trotz aller Beschwerden und teilweise auch ernüchternden Schicksalen weiter geht. Wir lernen, das Leben aus einer anderen Perspektive zu sehen. Wir wägen ab was notwendig ist, was wir brauchen und was nicht. Und verzichten können wir auf Vieles, das haben die vergangenen Monate gezeigt.

Der Blick aufs Jetzt ist der Blick nach vorne

Gleichwohl verstehen und erkennen wir, dass wir die Zeit nicht mehr zurückdrehen können. Abgesehen davon: Wer möchte das schon? Was mich diese Zeit lehrt sind zwei Dinge.
Erstens: Der Mensch ist unglaublich anpassungsfähig und wir kommen gut mit weniger aus.
Zweitens: Wir sind nicht abhängig von Digitalisierung, sondern gestalten nach wie vor unseren digitalen Alltag nach unseren Bedürfnissen.
Das bedeutet ergo: Wir haben einen Einfluss darauf, wie Digitales aussehen kann und soll.
Kinder wie in meiner dystopischen Darstellung einer internetlosen Welt haben trotz Schulschließungen die Chance zu lernen. Vorausgesetzt, die entsprechenden Tools sind vorhanden ebenso wie Offenheit für Digitales und – ganz wichtig – digitale Kompetenz. Das alles sind heute notwendige Voraussetzungen für gesellschaftliche Teilhabe.

Digitales Wissen schon im Vorschulalter

Doch wann sollte die Vermittlung von digitalem Wissen idealerweise beginnen? So früh wie möglich, schon im Vorschulalter. Immerhin wachsen die Kleinen in einer digitalisierten Welt auf. Verena Pausder, Gründerin der HABA Digitalwerkstätten für Kinder und Aufsichtsrätin der comdirect Bank, macht sich seit vielen Jahren für die digitale Bildung im Kleinkind-Alter stark.
Ich bin ganz ehrlich, auch für mich war diese Vorstellung anfänglich befremdlich – wohl auch, weil es so weit weg von der Realität in den Schulen und in den Köpfen unserer Gesellschaft war. Rückblickend müssen wir uns aber wohl alle eingestehen, dass es ein Fehler war, dass wir als Gesellschaft nicht früher erkannt haben, dass kein Weg an der Digitalisierung vorbeiführt und wir gerade in der Politik und in der Bildung es nicht geschafft haben, dieses Thema konstruktiv und positiv nach vorne zu bringen.
Heute sind Forderungen wie „Programmieren lernen in der Grundschule“ keine Aussagen mehr von irgendwelchen “Nerds”, sondern sie kommen langsam in der Mitte unserer Gesellschaft an. Wir müssen uns nur dringend und endlich konkret mit dem “WIE” auseinandersetzen und Änderungen anstoßen. Vor allen Dingen auch in der Politik. Wenn man aber im Jahr 2021 liest, dass im größten deutschen Bundesland von Seiten des Schulministeriums zwar 2,6 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wurden, um eine Drei-Jahres-Lizenz für das Brockhaus-Online-Nachschlagewerk zu erwerben, gleichzeitig aber weiterhin große Teile des Budgets für Digitalisierung in den Schulen aus Mangel an Digital-Kompetenz nicht abgerufen werden, muss man sich schon die Frage stellen, wo wir bei der Digitalisierung in Deutschland tatsächlich stehen.
Dabei macht es Medienpädagogisch so viel Sinn, den Kleinen und später den Größeren beizubringen, dass es bei Digitalisierung nicht um passiven Konsum, sondern um aktive Gestaltung geht – und das in jedem Lebensbereich.

Je früher der Umgang mit Digitalem vermittelt wird, um so größer die Chance, dass nachkommende Generationen Programme kreieren, die gesellschaftliche Relevanz und Nutzen haben. Das verstehe ich unter echten digitalen Lösungen.

Ideal wären also digitale Workshops für Vorschulkinder, Veränderung der Schullehrpläne für digitale Kompetenzvermittlung, die mit der digitalen Aus- und Fortbildung von Erzieher:innen und Lehrer:innen einher geht. Und das ist nicht einmal utopisch. Es gibt ja bereits Lern-Angebote für Groß und Klein. Allerdings auf freiwilliger Basis. Obligatorische Curricula wären gut, damit wir unsere Zukunft und unser Leben nicht nur besser gestalten, sondern so, wie wir es wirklich brauchen. Alles andere ist verzichtbar.

Bleiben Sie im Dialog!

Herzlichst
Ihr Christoph Gukelberger

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